

6th November 2014


Die Ansprüche bei Präzisionskomponenten aus Metallblech steigen: Die Lieferzeiten verkürzen sich, der Qualitätsanspruch nimmt zu, die Toleranzen werden enger. Es stehen unterschiedliche Fertigungsverfahren zur Auswahl, konventionelle und neue. Inwieweit wirken sich spezifische technische Merkmale der Verfahren auf die Beschaffenheit der Teile sowie auf die Wirtschaftlichkeit aus? Im Vergleich spielt die Ätztechnik bei dünnen Metallteilen mit komplexem Design eine große Rolle hinsichtlich Kosten, Gratfreiheit und Planizität.
Wirtschaftlich konstruieren lässt es sich mit zwei Strategien: Sparen am Material oder in der Fertigung. Soll die Kosteneffizienz aus dem Fertigungsprozess resultieren, müssen die Produktionsfaktoren Materialart, Maschine und Werkzeug optimal zusammenspielen. Werden hochgenaue Bauteile aus Metallblechen und Metallfolien hergestellt, müssen die Komponenten mit höchster Genauigkeit gefertigt warden und enge Toleranzen erfüllen. So sind die Qualitätsansprüche an die Oberfläche und die Vorgaben zur Gratfreiheit für Siebe, Filter und Netze mit hoher Lochanzahl und ultrafeinen Abständen ebenso hoch wie für Komponenten aus dem Medizintechnikbereich wie medizinische Instrumente und Implantate. Somit werden neben den finanziellen Erwägungen auch technische Überlegungen in den Konstruktionsprozess einbezogen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Fertigungstechnik und damit das Bearbeitungsverfahren genauer zu analysieren und zu bewerten. Eines der konventionellen Verfahren für die Herstellung von Teilen aus dünnem Metallblech ist die Stanztechnik. Als Alternativen hierzu haben sich die Funkenerosion (EDM), Laserstrahlbearbeitung und Wasserstrahlbearbeitung etabliert. Eine weitere Bearbeitungstechnologie ist die photochemische Ätztechnik, die bisher meist für die Erstellung von Prototypen bekannt ist, sich allerdings für die Produktion von Bauteilen in großen Stückzahlen häufiger eignet als erwartet. „Das liegt vorwiegend daran, dass über die Möglichkeiten dieses Verfahrens bei Konstrukteuren und Entwicklern unterschiedliches Wissen vorhanden ist und Vorurteile über die einzelnen für Metallbearbeitung in Frage kommenden Verfahren verbreitet sind“, sagt Markus Rettig, Sales Manager bei Precision Micro in Deutschland. Das Unternehmen produziert seit mehr als 50 Jahren Hochpräzisionsmetallteile mittels Produktionsverfahren wie photochemischem Ätzen, Electro-Forming (Galvanisierung) und Drahterodieren.
Konturgenauigkeit
Die Ätztechnik ist ein chemischer Prozess, der nicht erwünschtes Metall mit einer hohen Genauigkeit mit einer Standardtoleranz von ± 25 μm entfernt. Durch diesen genauestens kontrollierten Prozess entstehen glatte und gratfreie Kanten. Diese Konturgenauigkeit ist einer der entscheidenden Vorteile der Ätztechnik. Die Laserstrahlbearbeitung, aber auch die Funkenerosion, – beides abtragende, thermische Verfahren – führen dem Material beim Schneiden Wärme zu. Dadurch kann es bei bestimmten Materialien zu Gefügeveränderungen kommen. „Grundsätzlich wären bei der Funkenerosion und Lasertechnik enge Toleranzen möglich, jedoch führt die thermische Belastung bei beiden Verfahren zu Ungenauigkeiten in der Teilebeschaffenheit“, erklärt Markus Rettig. Bei der Funkenerosion kann es durch die Hitzeeinwirkung dazu kommen, dass Rückstände der Erodierschicht auf dem Bauteil zurückbleiben und zu nachträglicher Rissbildung führen.
Bei dem zerteilenden Verfahren des Stanzens wird das Material zwar ohne Wärmeeintrag geformt, jedoch wirken sich hier die auftretenden mechanischen Kräfte aus: Es kommt zu Spannungen sowie zu Konturen mit einer leichten Anschrägung und einem Grat. Auch beim sogenannten Wasserstrahlschneiden, bei dem das Werkstück mit einem Hochdruckwasserstrahl geformt wird, wird keine Wärme zugeführt. Jedoch ist die Einhaltung von Toleranzen mit diesem mechanischen Bearbeitungsverfahren im μm-Bereich weitaus weniger möglich als mit der Ätztechnik, weil die Schnittkante nicht zu 100 % gratfrei ist.
Materialvielfalt
Grundsätzlich kann beim Wasserstrahlschneiden eine sehr große Bandbreite an Materialien verarbeitet werden. Bei einem Druck von über 6000 bar werden metallische Materialien wie Kohlenstoffstahl, Aluminium, Kuper oder Edelstahl sowie auch nichtmetallische wie Kunststoff, Holz, Glas oder Stein bearbeitet. Bei den metallischen Werkstoffen weist auch das photochemische Ätzen eine große Bandbreite auf. „Sowohl harte Metalle wie Edelstahle wie Sandvik 7C27Mo2 oder Inconel als auch weiche Metalle wie Aluminium oder Kupfer können verarbeitet werden“, ergänzt Markus Rettig. Bei einigen härteren Metallen können die Form- bzw. Presswerkzeuge beim Stanzen allerdings leichter verschleißen.
Die Ätztechnik ist ideal für Metalle mit einer Materialstärke zwischen 10 μm und 2 mm. Bei dickeren Metallen dauert der Ätzvorgang länger und ist somit unwirtschaftlich. Stanz- und Laserschneidtechnik können dickere Materialstärken verarbeiten. Bei der Stanztechnik können die Kosten für die Werkzeuge sehr hoch sein.
Bearbeitungsgeschwindigkeit
Bei Präzisionsmetallteilen ist die Materialbeschaffenheit ein wichtiger Faktor. Aspekte wie Herstellungsgeschwindigkeit können hinsichtlich Wirtschaftlichkeit jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Bei einfachen Teilen ist die Bearbeitungsgeschwindigkeit beim Laserschneiden grundsätzlich hoch, die Vorlaufzeiten gering. „Bei komplexen Designs dauert die Programmierung insgesamt länger. Auch wird jede Kante bzw. Öffnung einzeln geschnitten, sodass auch die Bearbeitungszeit bei komplexen Teilen zunimmt“, so Markus Rettig. Im Vergleich zum Wasserstrahlschneiden werden bei der Lasertechnik höhere Schnittgeschwindigkeiten erzielt. Dadurch ergeben sich kurze Bearbeitungszeiten ebenso wie bei der Ätztechnik.
Der Stanzprozess hat speziell bei komplexen Formen in Bezug auf die Werkzeugbestückung lange Vorlaufzeiten. Wenn die Stanzwerkzeuge erst einmal eingerichtet sind, sind die Bearbeitungszeiten kurz, Bauteilumgestaltungen jedoch sind zeitaufwändig und teuer.
Wirtschaftlichkeit
Bei den Metallbearbeitungsverfahren nimmt die Zeit für das Auf- und Abrüsten der Maschine sowie die Produktionszeit direkten Einfluss auf die Maschinenkosten und somit auf die Wirtschaftlichkeit eines Verfahrens. Das Stanzen eignet sich optimal für hohe Losgrößen. In der Serienproduktion ist das Stanzen sehr kostengünstig, doch die hohen Einrichtungs- und Instandhaltungskosten reduzieren diesen Effekt. Beim Wasserstrahlschneiden warden die Produktionskosten vor allem durch das Material bestimmt. Materialien mit einer geringen Festigkeit wie Aluminium lassen sich günstiger schneiden als Materialien mit einer hohen Festigkeit wie Edelstahl. Auch beim Laserschneiden ist einer der wichtigsten Faktoren für die Wirtschaftlichkeit das Material. Zusätzlicher Kostenfaktor beim Laserschneiden: Hohe Energiekosten. Da der Werkzeugwechsel beim Laserschneiden entfällt genauso wie auch die Kosten für Werkzeugerstellung ist der Automatisierungsgrad sehr hoch.
Gegenüber dem Stanzen und dem Laserschneiden hat die Ätztechnik den Vorteil, dass sie bereits bei niedrigen Losgrößen wirtschaftlich einsetzbar ist. Aber auch bei großen Stückzahlen ist die Ätztechnik wirtschaftlich. Markus Rettig ergänzt: „Die Werkzeugkosten sind bei der Ätztechnik gering, weshalb das Verfahren auch so attraktiv für die Herstellung von Prototypen ist. Eine hohe Bauteil-Komplexität ist bei diesem Prozess nicht von Nachteil. Ob das Metallteil ein Loch hat oder viele – es ändert sich nichts an den Kosten.“ Änderungen im Design können in wenigen Stunden anstatt in Tagen und Wochen realisiert werden. Hinsichtlich der Wiederholgenauigkeit kann die Ätztechnik erforderliche Bauteiltoleranzen konsequent erreichen – ein entscheidender Faktor für die Serienproduktion.
Stehen die Bauteileigenschaften wie gratfreie Konturen und plane Oberflächen über dem Kostenfaktor, ist die Ätztechnik in jedem Fall das geeignete Verfahren.